Schleißheimer Käs - nach Parmesanart

Schleißheimer Käs - nach Parmesanart

Der "parmison keeß" aus Schleißheim war einst berühmt wie der aus Parma, jetzt serviert ihn der Tourismusverein neu

Feinschmecker in aller Welt garnieren ihre Nudelgerichte meist mit dem Schleißheimer Käs, einem würzigen Reibekäse. Gerne wird der Schleißheimer auch in dünnen Blättchen über gedünstetes oder gekochtes Gemüse gehobelt. Sein nussiger und würziger Geschmack und vor allem seine Konsistenz haben ihn zu einem originären Markenzeichen in der feinen Küche gemacht: "Der Schleißheimer" eben.

So hätte es kommen können. Der Schleißheimer "keeß auf parmasan Art" war im 17. und 18. Jahrhundert hierzulande mindestens so bekannt und gerühmt wie der ebenso auf diese eigentümliche Weise hergestellte Käse in der italienischen Region Parma. 1737 berichtete ein Reisender in Diensten des Bamberger Fürstbischofs, dass man in Schleißheim "alda den parmison keeß so köstbahr macht als mann nicht besser wird bekommen können". Schon 1612 allerdings hatte der Herzog Ranuccio I. jenseits der Alpen den Käse als "Parmigiano" an seine Region gebunden und in Handelsverträgen die Bezeichnung mit der Herkunft aus der Provinz Parma verknüpft. Über die Jahre setzte sich der "Parmesan" als Gattungsbegriff durch - und eben nicht der "Schleißheimer". Die Europäische Union hat mittlerweile den Begriff "Parmesan" ebenfalls unter Schutz gestellt.

Rund 500 Jahre nach dem Beginn der Käserei in Schleißheim greift der Tourismusverein die Tradition wieder auf und bringt in Kooperation mit dem Hotel "Blauer Karpfen" den "Schleißheimer Käs" in die Regale. Beim "Churbairischen Freudenfest" im Schloss wird der "Käs nach Parmasan Art" erstmals präsentiert und damit "500 Jahre gemeinsamer bayrisch-italienischer Esskultur zu neuem Leben erweckt", wie es in der Begleitbroschüre zum Käsegenuss heisst.

Mit Kauf, Tausch und sanftem hoheitlichen Druck hatte der bayerische Herzog Wilhelm  V. ab 1594 begonnen, Höfe, Schwaigen und Ländereien rund um die damals so benannte Schwaige Clainschleißheimb zu erwerben, und 1597 dann als Zentrum einen neuen Landsitz errichtet. Die zumeist gültige Darstellung, der altersmüde fromme Herzog habe sich hier in der Abgeschiedenheit ein Refugium zur religiösen Einkehr aufgebaut, streift dabei das historische Geschehen nur am Rande. Entstanden ist vielmehr ein Musterbetrieb, der alle Facetten damaliger Landwirtschaft unter der Obhut des Landesherrn vereinte. Die langen Flügelanlagen, die vom Alten Schloss in Westrichtung führen, markieren teilweise noch originalgetreu den Umfang des herzoglichen Schwaigebetriebs; das ebenfalls von Wilhelm erbaute Herrenhaus als östlicher Abschluss der Höfe wurde bald entfernt, an seiner Stelle errichtete Sohn Maximilan I. seinen Landsitz, nach dem Wiederaufbau nach Bombenzerstörung im Zweiten Weltkrieg heute das Alte Schloss.

Gutsherr Wilhelm hielt in den Anfängen des Schleißheimer Schwaigbetriebs laut einem Bericht des Augsburger Reiseberichters Philipp Hainhofer von 1611 "anjezo über 100 ochsen, 100 khüe und kalbrind, 110 schaaf, 20 gaissen und böck, 18 büffel, 50 schwein, 50 pferd im gestüed, pfawen, indianischen, türgischen und böhemischen geflügel ain 100 stück". Dazu gab es im heutigen Wilhelmshof zwei Mühlen, ein Sägewerk, ein Brauhaus mit vier Bierkellern, ein Backhaus und eben auch "zwei keesgewölber, milchgewölb". Das Milchvieh wurde nach Hainhofers Darstellung "im holz von St Ignatio biß zum closter St Renati auf der waid" gehalten, also im Bereich zwischen dem Bergl und dem heutigen Schloss Lustheim, am Südostrand des Berglwalds. Alles Vieh sei auch selbst gezüchtet, hebt er hervor, "das alte, so auß Schweizerland kommen", sei hingegen abgeschafft worden.

In den "keesgewölber" im heutigen Wilhelmshof wurden laut Hainhofer damals drei Arten von Käse hergestellt: "keeß auf parmasan art, auf schweizer art und schaafkees". Frappierend aber war der unterschiedliche Wert: während die herzogliche Schwaige den Schweizer Käse für sechs Kreuzer je Pfund verkaufte und den Schafskäse für fünf Kreuzer, musste für den Schleißheimer Parmasan 15 Kreuzer hingelegt werden, also der dreifache Preis! Ein Tagwerker, der auf der Schwaige beschäftigt war, verdiente 12 Kreuzer am Tag, ein Taglöhner sieben Kreuzer, so dass für sie der Parmasan kein Gebrauchsgut war, sondern ein Luxusartikel.

Noch über 100 Jahre später, schon zur Regentschaft von Wilhelms Ur-Ur-Enkel Karl Albrecht wurde der "parmison keeß" von dem Bamberger Gesandten noch gerühmt, und wieder 50 Jahre später, schon unter der Regentschaft von Kurfürst Karl Theodor aus der pfälzischen Linie der Wittelsbacher, notierte ein Adlieger auf der Durchreise: "Bey Schleißheim ist eine Schweitzerey von 180 Schweitzerkühen, wo recht gute Käse gemacht werden"; wobei die Schweitzerey die gängige Bezeichnung für eine Käserei war und auch bei den Kühen nicht unbedingt die Herkunft gemeint war, sondern ihre Verwendung als Milchvieh.

Aus der einstigen Musterschwaige Herzog Wilhelms entwickelte sich später dann ein Staatsgut und über mehrere Umwege die staatliche Landwirtsschaftsschule, die heute in Weihenstephan angesiedelt ist. Der spezielle Schleißheimer "keeß auf parmasan art" aber geriet ebenso in Vergessenheit wie die Brauerei im Schwaighof einging.

Der neue "Schleißheimer Käß" kommt nun aus den Hermanndorfer Landwerkstätten bei Glonn im Landkreis Ebersberg. Käsermeister Hermann Stadler verwendet Heumilch aus dem Bauernhof seines Bruders, zertifiziert mit "100 % Bio".

Verkauft wird der "Schleißheimer Käß" nun im Tourismusbüro, im Hotel "Blauer Karpfen" und bei "Olivenöl Oeckerath", die ihn dann auch an ihren Ständen beim "Schleißheimer Advent" und beim "Schleißheimer Frühling" vertreiben.

Ganz originalgetreu hat man sich allerdings an das Schleißheimer Rezept des "keeß auf parmasan art" aus den Anfängen des 17. Jahrhundert noch nicht herangetraut. Dort wurde unter anderem Safran beigemischt, um eine gelblichere Färbung zu erreichen. Bei entsprechender Nachfrage soll aber auch versucht werden, den Originalkäse nachzuempfinden.

Bild:

In seinem Landschlösschen am Ostrand des Schwaighofes ließ Herzog Maximilian die Decken im zentralen Speisesal von Peter Candid um 1620 mit Motiven aus dem landwirtschaftlichen Betrieb ausgestalten. Etwa hundert Jahre später wurden die Fresken von Jacobo Amigoni restauriert, der seinerzeit gerade bei den Bauarbeiten für das Neue Schloss beschäftigt war. Durch die Bombenschäden des Zweiten Weltkriegs sind diese Wandbilder verloren. Anhand von schwarz-weiß-Fotografien vor dem Krieg hat der Maler Klaus Staps die Gemälde nachempfunden. Das Bild "Käseherstellung" hing im Zentrum des herzoglichen Speisesaals, es zeigt einen Arbeiter, der Milch in einen Holzbottich füllt, und einen weiteren, der Käselaibe formt. Die lateinische Unterschrift "Iste lac excernit coquit hic premit ille qui morum est demum potior qui bibit atque comest" schildert zunächst den Vorgang, "einer schneidet Milch, einer kocht, einer presst", und fügt dann einen Merkspruch an: "Schließlich ist sittenstärker, wer isst und trinkt".

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